WISSENSWERTES

von Priv.Doz. Dr. Georg Philipp Hammer

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Ich werde Ihnen – so bald es mir möglich ist –, antworten.

PHONIATRIE

Phoniatrie, was ist das?

 

Die Phoniatrie ist die medizinische Disziplin, die sich mit

  • Störungen der Stimme,
  • des Sprechens,
  • der Sprache und
  • des Schluckens

diagnostisch, therapeutisch und wissenschaftlich beschäftigt.

 

Sie versteht sich seit ihren Anfängen als interdisziplinäres Fachgebiet. Es ist Aufgabe des Phoniaters, aus den zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten für den individuellen Patienten und seine individuelle Störung die jeweils geeigneten Behandlungsformen auszuwählen, in einem zeitlichen Konzept aufeinander abzustimmen und zu kontrollieren.

Stimme und Sprache sind die wichtigsten zwischenmenschlichen Ausdrucksmittel. Ihre Bedeutung in der modernen Kommunikationsgesellschaft ist kaum zu überschätzen und die Anforderungen an sie nehmen ständig zu.

Während der meisten Zeit der menschlichen Geschichte wurden Personen mit Kommunikationsstörungen nicht als behindert angesehen – wichtiger für das Überleben und die Stellung in der Gesellschaft war die körperliche Leistungsfähigkeit.

Durch die dramatischen Änderungen des Sozialgefüges und der Arbeitsbedingungen wird die „Fitness“ nicht nur von Einzelpersonen, sondern der ganzen Gesellschaft im 21. Jahrhundert vorwiegend durch die Fähigkeit zur Kommunikation bestimmt werden.

Eine Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit führt somit zu verminderten beruflichen und sozialen Aufstiegschancen, Isolation sowie zu einer erheblichen Einschränkung der Entwicklung und des gesamten Wohlbefindens. Kommunikationsstörungen werden einen wichtigen Stellenwert im öffentlichen Gesundheitswesen des 21. Jahrhunderts ausmachen.

Auf Grund der engen anatomischen und funktionellen Beziehungen, ergibt sich die Zuständigkeit für ein weiteres, in seiner Bedeutung ständig zunehmendes Aufgabengebiet: die Diagnostik und Behandlung von Schluckstörungen.

Die Phoniatrie ist ein ärztliches Spezialgebiet und kann in Österreich als anerkannter Zusatzfacharzt im Rahmen einer 3-jährigen Ausbildung zusätzlich zum Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde erworben werden.

 

 

Stimme

 

Wenn die für den Menschen typischen Charakteristika – Sprache und Sprechen - fehlen oder geschädigt sind, so berührt dies die Grundlage des Menschseins, denn kommunikative Fähigkeiten sind heute die Voraussetzung für fast alle Berufe.

Wenn nun Stimmprobleme auftreten, können Privatbereich und berufliche Karriere gleichermaßen beeinträchtigt sein; das heißt zusätzlich zu den psychosozialen Auswirkungen auf die betroffenen Personen haben die erwähnten Störungen auch durchaus ökonomische Auswirkungen. So zeigt eine amerikanische Studie aus dem Jahr 1999 auf, dass etwa 3% des Bruttosozialproduktes für Diagnostik und Therapie von Kommunikationsstörungen ausgegeben werden.

Untersuchungen zufolge leiden ca. 10 – 20% der Bevölkerung unter einer Stimmstörung.

Etwa ein Drittel der Bevölkerung weist in der Kehlkopfuntersuchung organische Veränderungen der stimmbildenden Organe auf. Diese Veränderungen sind größtenteils gutartig (etwa 90%), in 10% handelt es sich um bösartige Veränderungen und deren Vorstufen.

Da die Anforderungen an die Stimme heute wesentlich höher sind als noch vor einigen Jahrzehnten, ist es wichtig, stimmliche Einschränkungen so früh wie möglich zu erkennen, um einem möglichen chronischen Leiden entgegenwirken zu können.

Nach umfangreicher Diagnostik wird ein individuelles therapeutisches Vorgehen mit dem Patienten gemeinsam vereinbart.

Alle Menschen, die beruflich viel sprechen, sollten nicht nur bei akuten Schmerzen, sondern auch bei länger anhaltenden Beschwerden eine Untersuchung und Abklärung anstreben.

Als Prävention sollen bereits im Kindesalter Maßnahmen zur Optimierung und Erhaltung stimmlicher Fähigkeiten gepflegt werden, damit eine gute und leistungsfähige Stimme möglichst lange erhalten bleibt.

Eine große Anzahl ganz unterschiedlicher Faktoren können den Schwingungsablauf der Stimmlippen (Stimmbänder) negativ beeinflussen. Es ist nicht möglich und auch nicht zulässig, von dem Grad und der Art der Heiserkeit auf die zugrunde liegende Störung rückzuschließen, sodass eine Abklärung der möglichen Ursachen nach einer 2 – 3 Wochen durchgehenden Heiserkeit in jedem Fall notwendig ist. Im Mittelpunkt steht dabei neben der Anamnese und der Beurteilung der Stimmklanges die HNO-fachärztliche Untersuchung, insbesondere die Spiegeluntersuchung und Stroboskopie des Kehlkopfes.

Ursächlich lassen sich zwei große Gruppen abgrenzen: Organische und funktionelle Stimmstörungen (Dysphonien).

Als organische Dysphonien fasst man all jene Erkrankungen zusammen, bei denen sich bei der klinischen Untersuchung ein organpathologisches Substrat als Ursache für die Stimmstörung nachweisen lässt (z.B. Stimmlippenpolypen, -ödeme, -knötchen, -entzündungen, -tumore, -bewegungsstörungen). Dieses Substrat findet sich überwiegend im Bereich des Kehlkopfes und wird mit der dafür adäquaten Untersuchungstechnik, wie Laryngoskopie oder Stroboskopie, identifiziert. Lässt sich ein solches organpathologisches Substrat nicht finden, spricht man von einer funktionellen Störung.

Die Abgrenzung zwischen organischen und funktionellen Störungen ist nicht scharf, sondern fließend zu sehen. Die Unterscheidung ist auch nur sinnvoll, wenn die primäre Erscheinung des Krankheitsprozesses gekennzeichnet werden soll, da funktionelle Abweichung zu sekundären organischen Veränderungen führen können, andererseits organische Veränderungen mit Beeinträchtigung der Funktion (sekundäre funktionelle Störungen) verbunden sind. Zwischen funktionell und organisch bestehen somit keine exklusiven, sondern komplementäre Beziehungen. Eine Differenzierung in organische und funktionelle Ursachen hat sich jedoch in der Klinik vor allem im Hinblick auf die einzuschlagende Therapie bewährt.

 

Link: http://hno.uniklinikumgraz.at/phoniatrie/Patientenbetreuung/Diagnostik/heiserkeit/Seiten/default.aspx

 

 

 

Schlucken

 

Die Nahrungsaufnahme ist ein lebenswichtiges Grundbedürfnis aller Menschen. Für einen gesunden Menschen scheint das Schlucken ein sehr einfacher Vorgang zu sein (er läuft ja auch weitestgehend unwillkürlich ab), erfordert aber in Wirklichkeit eine extrem kompliziertes Zusammenspiel zwischen verschiedenen Muskeln; ein gesunder Erwachsener schluckt zwischen 580 und 2.400 Mal am Tag.1 Eine wichtige Rolle spielen dabei der richtige Zeitpunkt, die Koordinierung, das Empfinden und die Muskelkraft. Der gesamte Organbereich des oberen Atmungs- und Verdauungsapparates, welcher das funktionelle System der Mundhöhle (inklusive Zähne), den Rachen und den Kehlkopf vereint, ist für drei wesentliche Funktionen verantwortlich: 1. Schutz der unteren Atemwege bzw. Sicherstellung der Atmung, 2. Stimmgebung und Sprechbewegungen, 3. Nahrungsaufnahme.

Eine Störung des Schluckvorgangs wird als „Dysphagie“ bezeichnet. Abhängig vom Ort der Manifestation wird im Allgemeinen zwischen einer oropharyngealen Dysphagie (Beeinträchtigungen von Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf, oberer Speiseröhrenschließmuskel) und ösophagealen Dysphagie (Transportstörung in der Speiseröhre) unterschieden.

Direkte Hinweise auf das Vorliegen einer Schluckstörung sind eine länger dauernde Nahrungsaufnahme, Angst vor dem Schlucken, Schmerzen beim Schlucken, eine Haltungsänderung beim Schlucken, das Steckenbleiben von Nahrung im Mund/Rachen, regelmäßiges Husten bei/nach der Nahrungsaufnahme, Regurgitation (evtl. auch durch die Nase), Schwierigkeiten bei der Aufnahme bestimmter Konsistenzen, und regelmäßig notwendiges Ausspucken von Speichel/Nahrung.

Nicht unmittelbar mit der Nahrungsaufnahme auftretend sind gewisse indirekte Hinweise, die jedoch bei regelmäßigem Auftreten unbedingt Beachtung finden sollten: Gewichtsabnahme, häufig unklares Fieber, verstärkte Verschleimung, vermehrtes Husten, sich wiederholende Lungenentzündungen, Stimm-/Sprachveränderungen, Kloß-/Fremdkörpergefühl im Hals oder hinter dem Brustbein, vermehrtes Aufstoßen und Sodbrennen.

In vielen Fällen ist es erforderlich, eine objektive (instrumentelle) Untersuchung durch eine/n Hals-Nasen-Ohrenfacharzt/ärztin bzw. PhoniaterIn durchzuführen, um die zugrundeliegenden Probleme zu erkennen und die Schluckfähigkeit zu bestimmen. Hierfür kommt die Anwendung einer FEES (Fiberoptische Endoskopische Evaluierung des Schluckvorgangs; d.h. Verabreichung von mit Lebensmittelfarbe eingefärbter Testnahrung unterschiedlicher Konsistenz während einer flexiblen Laryngoskopie durch die Nase) in Frage, welche zugleich als Goldstandard der Dysphagie-Diagnostik gilt.